Angelika Mundorff


Adolf Des Coudres (1862-1924)

Akademischer Maler und Familienmensch

 

„Weit besser kommt dagegen Adolf des Coudres mit seiner großen Zahl flott und frisch aufgefasster, stimmungsvollster holländischer Studien weg, die in ihrer Art zum Besten gehören, was wir seit langer Zeit hier gesehen haben und die auch des Künstlers ausgeführte Gemälde an Lebendigkeit und Naturwahrheit weit übertreffen.“

Die Kunst für Alle 1896

 

Nicht allzu viel ist über den Landschaftsmaler Adolf Des Coudres (1862-1924) bekannt. Einige wenige Einträge in Künsterlexika und ein paar spärliche Sätze in Briefen seiner Witwe Selma Des Coudres (1883-1956) geben nur unzureichend Aufschluss über Studium, Lehrer und Ausstellungen des Künstlers. Nun haben sich doch etwa 100 Gemälde Des Coudres erhalten. Da sie aber nicht datiert sind, ist es nur durch stilistische Einordnung relativ vage möglich, sein Oeuvre seinen verschiedenen Lebensstationen zuzuordnen. Hin und wieder finden sich auf den Rückseiten erhaltener Bilder Aufkleber, die auf die Ausstellungen hinweisen, auf denen sie gezeigt wurden.

 

Adolf Des Coudres stammte aus gutsituierten, großbürgerlichen Verhältnissen. Ein von Louis Des Coudres gemaltes Doppelporträt, das Großmutter und Enkelkind Adolf zeigt, charakterisiert den dreijährigen Adolf als stilles, verträumtes Kind. Auch die Porträtfotografien des erwachsenen Adolf zeigen wenig Überschwängliches, eher eine melancholische Note oder allenfalls eine verschmitzte Heiterkeit. Seine Statur scheint klein und eher zart gewesen zu sein, was später während seiner Ehe mit der stattlichen Baltin Selma allerorts für Heiterkeit sorgen sollte. Auch seine Schwester Luise (1859-1915) überragte den zierlichen Mann um Einiges. Sein verstorbener Vater, der bedeutende Maler Ludwig Des Coudres (1820-1878) war einst Mitbegründer der Kunstakademie Karlsruhe gewesen. Seine Entwicklung war zunächst von einer romantischen, den Nazarenern nahe stehenden Kunst bestimmt und orientierte sich später am Naturalismus der neueren Historienmalerei. Er malte überwiegend religiöse Bilder in großen Formaten. Es sind aber auch wunderbare Porträts überliefert. Er war eine Künstlerpersönlichkeit mit großer Ausstrahlung und mit vielen großen Malern seiner Zeit freundschaftlich verbunden. Zu ihnen gehörte Oswald Achenbach (1827-1905) und Hans Fredrik Gude (1825-1903).

 

Hervorzuheben sind vor allem seine Verdienste als Lehrer an der Karlsruher Akademie. Zu seinen berühmtesten Schülern gehörte Hans Thoma (1839-1924) und Max Klinger (1857-1920). Nach Aussage Selma Des Coudres hatte Vater Louis die künstlerischen Bestrebungen seines Sohnes Adolf nicht unterstützt, und der Beginn eines Kunststudiums war erst nach dessen Tod möglich.

 

 

Ausbildung und Stil der ersten Jahre

 

Adolf Des Coudres war ein Schüler des bedeutenden Landschaftsmalers Gustav Schönleber (1851-1917), der seit 1880 Professor an der Karlsruher Kunstakademie für Landschaftsmalerei war. Der junge, damals knapp 30jährige Schönleber sollte Adolfs wichtigster Lehrer werden. Bei ihm studierte er von 1881 bis 1890 Landschaftsmalerei. Gustav Schönleber zog damals viele talentierte junge Maler in seinen Bann, obwohl er „kein Theoretiker oder Idealist (war), sondern vielmehr versuchte, sich von allen aktuellen kunstpolitischen Fragen fernzuhalten“. In über 30 Jahren unterrichtete er zahlreiche namhafte Maler und die Bezeichnung „Schönleber-Schüler“ gilt in der Landschaftsmalerei als Auszeichnung. Er selbst wird in wissenschaftlichen Veröffentlichungen im Zusammenhang mit der realistischen und impressionistischen Malerei in Deutschland gewürdigt.

 

In Adolf Des Coudres’ Werken finden wir zahlreiche stilistische und motivische Hinweise auf seinen Lehrer. -Zumindest in den ersten zwei bis drei Jahrzehnten ist seine künstlerische Entwicklung stark von der Malerei Schönlebers und dessen Umkreis beeinflusst. Allein schon die Farbgebung erinnert an die Bilder der Karlsruher Malerschule. Wie Schönleber verwendet Des Coudres vorwiegend ungemischte und nur selten leuchtende Farben. In der Darstellung der Natur überwiegen Erdtöne; aber auch unterschiedliche Grauwerte und ein dunkles Ziegelrot sind Beispiele für Des Coudres’ koloristische Vorlieben.

Die düsteren Farbnuancen Grün, Blau und Grau haben ihn auch in der Natur am meisten gereizt. So erklärt sich seine Vorliebe für die badische Heimat und die nördlichen Küstenlandschaften mit ihrem Wolken verhangenen Himmel. Kräftige Farbakzente sind in seiner frühen Phase eher selten und meist an bestimmte Gegenstände oder Staffagen gebunden, so etwa bei dem Gemälde „Kleiner Kanalhafen“ an die hellrote Arbeitskleidung der Arbeiter. Des Coudres wählte manchmal Bildausschnitte, die etwas willkürlich wirken. Auch dies ist ein Merkmal, das den Bildern seines Lehrers Gustav Schönleber eigen ist. Besonders malerische Motive werden manchmal hart angeschnitten. In einigen Arbeiten nimmt Des Coudres auch Schönlebers Kompositionsmuster des Jugendstils auf. So wird etwa in einigen Darstellungen die eigentliche Stadtansicht in einer asymmetrischen Komposition an den Rand der Bildfläche verschoben die Stadtansicht hinter einer Reihe von Bäumen sozusagen „vergittert“.

 

 

Studienreisen und Malaufenthalte in Künstlerkolonien

 

Für zahlreiche Motive erhielt Des Coudres Anregungen auf Studienreisen, die er wie sein Lehrer Schönleber und seine Studienkollegen häufig unternahm. Er besuchte viele bei Malern besonders beliebte Gegenden im Schwarzwald, in Oberbayern, am Bodensee, in Südtirol, aber auch in Norddeutschland und Holland. Mehrfach suchte er „Malerkolonien“ auf, die in den 80er und 90er Jahren des 19. Jahrhunderts vielerorts – meist in ländlichen Gegenden – entstanden. Die Künstlerkolonien hatten eine damals sehr wichtige Bedeutung. Sie bildeten ein frühes Netzwerk, das sich über ganz Europa erstreckte. Als Kolonie kann allerdings nicht jeder Ort, wo Künstler in Gemeinschaft arbeiteten, bezeichnet werden. Weitere Grundvoraussetzungen sind bestehende Beziehungen zwischen den Künstlern und eine gemeinsame Suche nach künstlerischen Ausdruck bzw. nach einem unverwechselbaren, künstlerischem Stil, die mit dem Ort und der Zeit in Verbindung zu bringen sind.

 

Ein gutes Beispiel hierfür ist Gutach. Die Künstlerkolonie war früher als andere entstanden. Wilhelm Hasemann, ebenfalls ein Schüler von Gustav Schönleber, gilt als Begründer dieses wichtigen Malertreffpunkts. Er konnte Schönleber und sein Umfeld schnell für den Ort begeistern, weil sich hier ihren malerischen Intentionen alles bot.

Mindestens zehn Jahre lang nahmen die „Karlsruher Maler“ innerhalb der Gutacher Künstlerkolonie den höchsten Anteil ein. Altersgenossen und Studienkollegen von Des Coudres fanden sich an diesem besonders reizvollen Platz zusammen. Der malerische Realismus scheint die künstlerische Grundlage gewesen zu sein. Die Landschaft mit ihrem besonderen Licht und Wolkenaufbau, die eigenständige Kultur, die Menschen mit ihren ausgeprägten Eigenarten und Trachten lockten die Landschaftsmaler um Schönleber in diese Region. Die Nahsicht der hügeligen Landschaft mit ihren schönen Höfen stand im Mittelpunkt. Es sind zwar nur drei Besuche Adolf Des Coudres’ in der Künstlerkolonie Gutach im Schwarzwald dokumentiert, wo er mit Franz Gräßel (1861-1948), Albert Kappis (1836-1914) und Hermann Dischler (1866-1935) zusammentraf, häufigere Aufenthalte in Gutach sind aber wahrscheinlich.

 

Ein Privathaus, das bis heute in Gutach als „Kuderhiisli“ bezeichnet wird, wurde für diese Wochen angemietet. Winterliche Landschaften weisen auf Aufenthalte in der kalten Jahreszeit hin. Anregungen für diese speziellen Schwarzwald-Bilder könnte er von seinem Malerkollegen Dischler erhalten haben, der als „Schneemaler“ bezeichnet wird. Ein Malaufenhalt Adolf Des Coudres ist für September 1890 in Dachau belegt. Er hatte nun sein Kunststudium in Karlsruhe abgeschlossen und suchte an anderen Orten Anregungen. Die Gegend um den oberbayerischen Ort wies mit ihrer Moorlandschaft und der Amper mit ihren verschilften, Weiden umstandenen Ufern verwandte Merkmale zu Barbizon, dem großen Vorbild einer Künstlerkolonie in Frankreich, auf. Die Landschaft lieferte Motive für die neue, realistische Landschaftsmalerei. Viele freie Künstler ließen sich hier nieder oder fuhren aus dem nahen München hinaus aufs Land zum Malen. In Dachau entstanden bedeutende Malschulen, z. B. die von Hans Hayeck (1869-1940), von Ludwig Dill (1848-1940) und Adolf Hölzel (1853-1934). Ob Adolf Des Coudres Kontakt zu den Künstlern aufnahm, ist nicht nachzuweisen. Vielleicht lernte er ja auch schon Fürstenfeldbruck oder Emmering kennen? Wir wissen es leider nicht. Zwischen den in Dachau und in Fürstenfeldbruck wohnenden und malenden Künstlern bestanden allerdings in dieser Zeit bereits viele Beziehungen. Im August oder September 1891 besuchte Adolf die Künstlerkolonie Ahrenshoop an der Ostsee, die erst seit kurzem bestand.

 

Der Schönleber-Schüler Paul Müller-Kaempff (1861-1941) – er studierte 1883 bis 1886 in Karlsruhe, also zeitgleich mit Des Coudres – war es vor allem, der an der Entwicklung und dem Bekanntwerden der Künstlerkolonie Ahrenshoop auf dem Darß beteiligt war. Bereits 1889 hielt sich Müller-Kaempff zum ersten Mal in Ahrenshoop auf. 1892 errichtete er hier ein eigenes Haus und begründete 1894 eine Malschule, die bald großen Zulauf erhielt. In den Jahren 1892 und 1893 zeigte Des Coudres Gemälde im Münchner Glaspalast, in denen er seinen Aufenthalt an der Ostsee verarbeitete: „Häuser in den Dünen“ (1892) und „Fischerhäuser an der Ostsee“ (1893). Die Küste der Ostsee mit ihrem meist kühlen, hellen Licht verlockte ihn offenbar nicht zu einer Wiederholung eines Studienaufenthalts, während er Holland mit seinen diffusen braun-grauen Landschaftsfarben zweimal besuchte.

 

Letztlich bevorzugte Adolf Des Coudres aber vor allem die heimatlichen Landschaften, den Schwarzwald (Gutach) und Grötzingen bei Karlsruhe. Die Malerkolonie Grötzingen, ganz in der Nähe von Karlsruhe, die Des Coudres drei Jahre später besuchte – wir finden für den 8. August 1894 einen Eintrag ins Gästebuch (zusammen mit Schwester und Mutter) – bestand seit 1889. Wie in anderen Künstlerkolonien gab es auch in Grötzingen einen oder mehrere Hauptkünstler, die den Ort und malerischen Stil der Kolonie prägten. In Grötzingen war das u.a. der Tiermaler Otto Fikentscher (1862-1945), der seinerseits auch in Verbindung mit Ahrenshoop stand. Er hielt sich längere Zeit auf Hiddensee auf, ganz in der Nähe von Fischland/Darß, wo Ahrenshoop liegt.

 

Laut Auskunft von Selma war Adolf zweimal in Holland: 1895 und vermutlich 1897 oder 1898. Er zeigte mehrere Gemälde im Münchner Glaspalast mit holländischen Titeln: „Holländische Landschaft“ (1896), „Blick von den Dünen“ und „Hinter den Dünen“ (1898) sowie „Holländischer Bauernhof“ (1899). In den achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts stieß Holland auf Interesse bei zahlreichen deutschen Künstlern. Auch der Karlsruher Professor Gustav Schönleber hatte sich von der „dunstigen Atmosphäre und gedämpften Farben“ angesprochen gefühlt und reiste u. a. 1881 und 1882 mit seinem Schwager Hermann Baisch und einigen Schülern nach Holland. Er und sein Umkreis waren zudem von der alten Niederländischen Landschaftsmalerei des 17. Jahrhunderts begeistert: im besonderen von deren Vorliebe für unheroische, natürliche Motive und atmosphärische und eher naturalistische Landschaften.

 

 

Karlsruher Zeit

 

Adolf Des Coudres’ künstlerische Laufbahn begann in den späten 80er Jahren des 19. Jahrhunderts, als das deutsche Kaiserreich die erste Welle der sogenannten „Gründerzeit“ und damit einen großen wirtschaftlichen Aufschwung erlebte, der den Kulturschaffenden zugute kam. Ein aufstrebendes Bürgertum und Großbürgertum bildete ein aufgeschlossenes Publikum für Kunst und Kunstgewerbe.

 

Nach Abschluss des Studiums arbeitete er in seiner Heimatstadt Karlsruhe bis 1909 als freier Kunstmaler und beteiligte sich in dieser Zeit mit seinen impressionistischen Landschaftsbildern an verschiedenen größeren Kunstausstellungen in Baden--Baden, Karlsruhe und München. Er wohnte damals in der Bismarckstraße 75, als Atelieradresse gab er 1891 aber das „Atelierhaus Westendstraße Karlsruhe“ an. Nur ein paar Häuser weiter befand sich ein weiteres Atelierhaus, in dem 1884 eine Malerinnenschule als Privatunternehmen ins Leben gerufen worden war. Eine Lehrtätigkeit Des Coudres’ an dieser Damenmalschule oder an anderen Institutionen lässt sich nicht nachweisen. Viele seiner ehemaligen Studienkollegen erhielten über kurz oder lang Lehraufträge, wurden in die eine oder andere Jury für Kunstausstellungen berufen oder erhielten den Ehrentitel Professor. Für Adolf Des Coudres lässt sich nichts dergleichen nachweisen. Selbst Auszeichnungen für seine Gemälde in Ausstellungen sind nicht überliefert. Dabei hält die Qualität seiner Werke durchaus dem Vergleich mit den Werken anderer Maler stand. Seine in Karlsruhe, Baden-Baden und München präsentierten Gemälde fanden immer wieder freundliche Erwähnung in den Kunstzeitschriften.

 

In der renommierten Zeitschrift „Kunst für Alle“ finden wir Adolf Des Coudres in Jahren 1901, 1902/1903 und 1904/1905 von der Kunstkritik lobend erwähnt.

„Karlsruhe. Professor Schönleber, der noch immer an der Spitze der hiesigen Landschafterschule steht, hat in dem „Schwarzen Wasser von Brügge“ neuerdings wieder glänzend bewiesen, dass er einer der stimmungs- und gehaltvollsten lebenden Landschafter überhaupt ist. In seiner neuesten koloristischen Auffassung macht sich ein ganz unverkennbarer Einfluß der Fehrschen Richtung, die hier neben der Thomaschen fast ausschließlich dominiert, stark bemerkbar, was wahrscheinlich nicht zum Schaden des Bildes gereicht. Sein Schüler Hellwag, der seinen hiesigen Aufenthalt mit dem in dem malerischen St. Ives an der englischen Südwestküste teilt, führt uns eine Kollektion von dorther stammender Marinen vor, in denen das Spiel des Lichtes und das bewegte Wasser meisterhaft geschildert sind. …Auch Otto Leiber, der sich neuerdings von Hans Thoma stark beeinflusst zeigt, H. Majendic, Prof. M. Roman, W. Lachenmeyer, A. Baumeister, A. Engelhardt, Karl Dussault und namentlich A. Des Coudres sind sehr tüchtige Landschafter, die es mit ihrer Kunst ernst genug meinen.

Die Kunst für Alle 1902/1903, S. 438

 

„Personal- und Ateliernachrichten. Karlsruhe. Im Kunstverein erregte berechtigtes Aufsehen eine reichhaltige Ausstellung der Münchner Luitpold-Gruppe, die vortreffliche Werke aufwies. Ihr schloß sich eine große Kollektion des dazu gehörenden früheren hiesigen Schönleber-Schülers Franz Hoch an, der ganz hervorragende Werke, die zum besten auf landschaftlichem Gebiete gehören, uns vorführt. Auch die Kollektionen von Gustav Kampmann, Berta Welte, Rudolf Bäumer, Wilhelm Nagel und A. Des Coudres vertreten die Karlsruher Landschafterschule aufs glücklichste.

Die Kunst für Alle 1904/1905, S. 317

 

Die großen Kunstausstellungen im Münchener Glaspalast beschickte er von 1891 bis 1903 jährlich mit seinen Gemälden. Bei seinen Karlsruher und Münchener Kollegen war er anerkannt und geschätzt, er war Mitglied in den jeweiligen Künstlergenossenschaften. Er schloss sich auch der sogenannten Luitpold-Gruppe an, einer Abspaltung der Münchner Künstlergenossenschaft, die als die „intellektuelle“ Künstlerecke galt. Deren Mitglieder hatte er spätestens 1904 kennen gelernt, als eine „reichhaltige“ Ausstellung der Münchener Luitpoldgruppe in den Räumen des Kunstvereins Karlsruhe Aufsehen erregte. Dieser Ausstellung war auch eine Sequenz mit Bildern der Karlsruher Landschaftsmaler (Schönleber-Schüler) angeschlossen, u. a. mit Gemälden Adolf Des Coudres’. Dass er dennoch zeitlebens nicht mehr in die Öffentlichkeit trat, zeugt vielleicht von persönlicher Bescheidenheit, wenig Ehrgeiz und vielleicht auch entsprechenden finanziellen Mitteln, die es zuließen, dass er seiner Maltätigkeit in aller Ruhe und ohne Vermarktungsdruck nachgehen konnte.

 

 

Adolf Des Coudres – der Familienmensch

 

Trotz der relativ häufigen Studienreisen Des Coudres in den Norden oder Süden Deutschlands oder in angrenzende Länder blieben heimatliche Landschaften die bevorzugten Motive zum Malen. Den Blick auf das Nahegelegene zu wenden, war ja bereits in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts populär geworden. Die Künstlerkolonien von Barbizon bis Worpswede, Dachau, Gutach usw. geben davon Zeugnis. Die Neigung zum Beschaulichen, die Neuentdeckung des Begriffs „Heimat“ konnten von unterschiedlichen Bewegungen beansprucht werden, da sowohl die „eskapistisch-konservativen“ Künstlerkreise als auch die „antibürgerlich-progressiv“ Gesinnten diese Werte zur Lebensanschauung erhoben. Im einen Fall bedeutete der Rückzug in die Natur Abstand von den aktuellen Problemen und dem politischen Geschehen, im anderen Fall den Versuch, konkrete Sozialutopien umzusetzen.

 

Bei Des Coudres, den wir aufgrund spärlicher Zeugnisse als bescheidene, empfindsame und eher introvertierte Persönlichkeit einschätzen, handelte es sich vermutlich um ein Sich-zurück-Ziehen in die Beschaulichkeit, als er 1909 zunächst Emmering und später dann Fürstenfeldbruck zu seinem ständigen Aufenthaltsort machte. Auch die Nähe zur Großstadt München, dem wichtigen kulturellen Mittelpunkt Süddeutschlands, war bei der Wahl sicher mitentscheidend, da der Maler regelmäßig im Münchner Glaspalast ausstellte und Bilder verkaufte. In den Jahren 1910, 1911 sowie in den Jahren 1916 bis 1924 war er in den großen Kunstausstellungen im Münchener Glaspalast vertreten. Des Coudres blieb mit seinen Sujets meist in der näheren Umgebung seiner jeweiligen Wohnorte, stellte Landschaften und Dinge teilweise sogar in Nahsicht dar, oft nur im Ausschnitt. Meist wählte er ganz unauffällige Bildmotive, Bäume an kleinen Flussläufen, ein paar alte Häuser, ein kleines Dorf. Es kam nur auf die Stimmung an – ein wesentliches Merkmal der „paysage intime“. Diese Zurückgezogenheit entspricht auch das Bild des einerseits verantwortungsvollen, andererseits nicht ganz unabhängigen Familienmenschen, das sich bei Durchsicht der wenigen Lebenszeugnisse und Familienfotografien einstellt.

 

Adolfs Leben hatte sich nach dem Tod des Vaters, er war damals 17 Jahre alt, stets in unmittelbarer Nähe von Mutter und Schwester abgespielt. Er wählte zum Studieren ausschließlich die Kunstakademie in Karlsruhe und wechselte nicht wie viele seiner Kollegen während des Studiums an andere Kunsthochschulen (Düsseldorf, -München etc.). Viele seiner mehrtägigen Studienreisen und Malaufenthalte unternahm er in Begleitung von Mutter und Schwester, wie die Einträge in den Gästebüchern z.B. in Gutach und Grötzingen belegen. Sein Familiensinn ermöglichte einen Umzug in Richtung München (Emmering) erst nach dem Tod der Mutter. Seine Schwester Luise lebte selbstverständlich als Hausgefährtin in der schönen, neuerbauten Villa in Emmering. Eine Haushälterin führte den beiden den Haushalt. Von Luise wissen wir nur wenig. Ein mit Bleistift gezeichnetes Porträt des jungen Adolf stammt der Familientradition nach von Luise, so dass wir davon ausgehen können, dass sie selbst auch hin und wieder zeichnete oder malte.

 

Den 1. Weltkrieg verbrachte er im Wesentlichen in Fürstenfeldbruck. 1915 starb seine geliebte Schwester Luise, die ihn sein Leben lang begleitet und mit ihm zusammen gewohnt hatte. Seine finanzielle Situation scheint sich durch den Krieg deutlich verschlechtert zu haben, da er sich bereits 1918 dazu entschloss, seine schöne Villa in Emmering zu verkaufen. Er mietete eine Wohnung im Ortskern von Fürstenfeldbruck, im 1. Obergeschoss des sog. Bexenhauses (Schöngeisinger Straße 6). 1917 oder 1918 lernte er wohl die Malerin Selma Plawneck kennen, die ab 1919 ebenfalls ihren Wohnsitz in Fürstenfeldbruck nahm und nach ihrer Heirat 1921 zu ihrem Mann ins Bexenhaus zog.

 

 

Künstlerfreundschaften

 

1910 übersiedelte Adolf Des Coudres also von Karlsruhe nach Emmering, wo er sich in der Emmeringer Straße 55 eine kleine Villa mit Atelierräumen bauen ließ. Schräg gegenüber wohnte seit 1901 bereits Franz Gräßel, mit dem er seit gemeinsamen Karlsruher Studientagen und Aufenthalten in der Malerkolonie Gutach befreundet war, und ein Stück die Straße runter erwarb Henrik Moor (1876-1940) ebenfalls im Jahr 1910 ein Haus. Mit Moor hatte er 1890 eine gemeinsame Südtirol-Reise unternommen. Es ist davon auszugehen, dass sein Entschluss, sich 1910 in Emmering anzusiedeln, von der Tatsache beeinflusst war, dass sich hier mehrere Malerkollegen häuslich einrichteten.

 

Mit Moor zusammen besuchte er nun auch einige Male den Malerkollegen Fritz Baer (1850-1919) in Tirol 21. Sie alle waren Mitglied der seit 1892 bestehenden Luitpoldgruppe in München, die in den Jahren 1907 bis 1919 von Fritz Baer geleitet wurde. In dieser Abspaltung der Münchner Künstlergenossenschaft traf Adolf Des Coudres auch wieder auf Carl Blos, mit dem er ebenfalls in Gutach, eventuell auch in Tirol, am Bodensee oder in Holland bei Malaufenthalten zusammengetroffen war.22 Carl Blos (Der „lange Blos“) zählte wiederum zu den Freunden von Carl Robiczek (1837-1918), der ebenfalls als Maler in Fürstenfeldbruck lebte. Gehörte Des Coudres auch zu den eher unauffälligen Figuren, war er bei seinen Malerkollegen doch wohl geschätzt. Einige hielten Des Coudres’ Bildnis in Skizzen fest, ein Zeichen für die kollegiale und freundschaftliche Beziehung der Künstler untereinander. 1914 beteiligte sich Adolf Des Coudres an der ersten Brucker Kunstausstellung. Dort zeigte er zwei Werke, ein Motiv aus Emmering und die Darstellung einer Sandgrube. 35 Künstler und Kunsthandwerker zeigten ihre Werke, darunter auch Franz Gräßel, Wilhelm Keller-Reutlingen (1854-1920), Henrik Moor, Hans von Petersen (1850-1914) und Carl Robiczek.23 Die Ausstellung wurde nur wenige Tage vor dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs im Rathaus Fürstenfeldbrucks eröffnet. Es blieb daher zunächst bei diesem Einzelprojekt. Ein genossenschaftlicher Zusammenschluss der Künstler in Fürstenfeldbruck sollte erst zehn Jahre später erfolgen.

 

Im Gegensatz zu den in Dachau lebenden Künstlern haben sich die in Fürstenfeldbruck und Umgebung ansässigen Maler nicht als „Künstlerkolonie“ verstanden - zu unterschiedlich waren die einzelnen Persönlichkeiten und ihre künstlerischen Zielsetzungen. Dennoch gab es auch unter den Brucker Künstlern Freundschaften und kollegiale Beziehungen. Einige Maler kannten sich vom gemeinsamen Studium an den Kunstakademien in München oder Karlsruhe. Leider können wir nur vermuten, dass Des Coudres auch Fritz Behrendt (1863-1946) und Johann Daniel Holz (1867-1945) aus Studienzeiten kannte, die beide 1893 bei dem berühmten Tiermaler Hermann Baisch an der Kunstakademie Karlsruhe eingeschrieben waren.

 

Nur wenig ist uns über die Freundschaften der Künstler und der Künstlerfamilien in Bruck überliefert. Die Tagebücher des Schriftstellers Hans Erich Blaich (1873-1945), genannt Dr. Owlglass, geben über seine langjährige Freundschaft mit Henrik Moor Auskunft. Beide verband das gemeinsame Interesse an der Musik. Auch Adolf Des Coudres kannte Blaich offenbar gut. Der Schriftsteller und Simplicissimus-Autor wurde 1921 Trauzeuge bei Selma und Adolf Des Coudres. Adolf war seinerseits der Taufpate der Moor-Tochter Julie. Henrik Moor porträtierte Selma Des Coudres mindestens zweimal.

 

 

Die Malerei der späten Jahre - ohne und mit Selma

 

In einigen späteren Werken Adolf Des Coudres’ macht sich ein stilistischer Wandel bemerkbar. Die Bilder gehen weg von einem sehr detailreichen naturalistisch-impressionistischen Stil hin zu Bildern, die durch ihren lebhaften, pastosen Farbauftrag mit breitem Pinsel einen weitgehend expressiven Ausdruck erhalten. Die Farbgebung wird insgesamt intensiver, die Aufteilung großflächiger. Vermutlich waren es die Jahre in der Luitpoldgruppe, einer fortschrittlichen Abspaltung der Münchner Künstlergenossenschaft, die Des Coudres Anregungen boten und zu -einem Wandel beitrugen. Es fällt die zunehmende Reduktion der Motive und die Beschränkung der malerischen Mittel auf. Im Werk Des Coudres gehörte neben der Natur seit der Studienzeit die Architektur zu den wichtigsten Bildmotiven. Seine Skizzen geben davon ein lebhaftes Bild.

 

Es sind häufig kleine Einblicke und malerische Ausschnitte, seltener vedutenhafte -Ansichten. So finden wir bei seinen frühen Zeichnungen und Gemälden „unbedeutende“ Motive wie Brücken, Treppen oder Hinterhöfe, d.h. einen romantisierenden „nostalgischen“ Blick für das Pittoreske. Obwohl der Künstler stilistisch vielseitiger und auch moderner wurde, legte er den Hang zum Pittoresken nicht ganz ab, wie ein Gouachebild Fürstenfeldbrucks zeigt, das durch seine zeichnerische Malweise auffällt. Daneben existieren aber auch stark aufgelöste Bilder, z.B. „Der Holzplatz auf der Lände“, die auf bemerkenswerte Weise ein eher industriell genutztes Areal darstellen. Dieses und andere Werke aus der Spätzeit des Künstlers wirken trotz Festigkeit der Komposition eher unruhig und bewegt. Letztlich bleiben aber Arbeiten wie diese, die sich inhaltlich oder formal mit Brüchen der modernen Zeit auseinandersetzen, zahlenmäßig hinter den harmonischen Bildmotiven zurück. In den letzten Jahren, vielleicht unter dem Einfluss seiner Frau Selma, kommen einige buntere, teilweise heiter wirkende Sujets hinzu.

 

Szenen mit herbstlich gefärbten Bäumen oder sommerlichen Blumen im Garten, alles in pastosem Farbauftrag. Eine Ölskizze mit einer erstaunlich bunten Straßencafe-Szene ist soweit entfernt von den eher düster-melancholischen Werken seiner früheren Jahre, dass es schwerfällt, sie demselben Maler zuzuschreiben. Der Farbauftrag ist hier wesentlich dünner, der Pinselstrich breit und schwungvoll. An vielen Stellen blitzt der Malkarton durch. Bei aller Bandbreite besticht aber stets die hohe Qualität der Gemälde.

 

Für die letzten Lebensjahre des Künstlers lassen sich bei seinen Landschaftsbildern fast ausschließlich Motive aus Fürstenfeldbruck und der näheren Umgebung finden. Sowohl die Titel der Bilder, die er in die Ausstellungen einreichte und die sich heute nur in Ausnahmefällen identifizieren lassen, als auch die Sujets der tatsächlich vorhandenen Bilder in Familienbesitz und in öffentlichen Sammlungen lassen den Ortsbezug erkennen, z.B. „Landhaus in Emmering“ oder „An der Amper“.

 

In der letzten Schaffensperiode tauchen „Stillleben“ und „Interieurs“ als neue Bildthemen auf. Auch hier erstaunen die stilistischen und maltechnischen Unterschiede. Wir können nur schwer entscheiden, ob es sich um ein Ausprobieren neuer Anregungen handelt oder um Gemälde, die bewusst für unterschiedliches Publikum gemalt wurden (München oder Fürstenfeldbruck).

 

In der Münchener Kunstausstellung im Jahr 1918 stellte Adolf zum ersten Mal ein Interieur aus: „Interieur mit Hund“. Der Innenraum zeigt eine Ecke eines Wohnzimmers mit kleinem und größerem Tisch, zahlreichen Bildern an der Wand und einem Sofa mit bunt gestreifter Decke, auf der ein Dackel schläft. Durch das Fenster erblickt man grünes Laub. Lässt man etwas Phantasie walten, kann man in dem Raum das Wohnzimmer der Emmeringer Villa erkennen, die Adolf noch bis 1918 bewohnte. Das Interessante an diesem Bild ist aber die bunt gestreifte Sofadecke. In ihr erkennt man ein wichtiges Detail, das in ganz vielen Gemälden Selma Des Coudres’ auftaucht. Es wäre damit das erste Indiz für eine vertraute Bekanntschaft der beiden Künstler bereits vor dem Sommer 1918.